Ich habe 21 wissenschaftliche Studien und 1.200.000 Anleger analysiert – das habe ich herausgefunden

von Jannes Lorenzen
Investor, Ökonom und Gründer

15. April 2022

Wie schneiden wir Privatanleger ab? Was machen wir möglicherweise falsch?

Diesen Fragen bin ich auf den Grund gegangen. Zur Beantwortung möchte ich aber nicht meine eigene Meinung oder Anekdoten von medienpräsenten Börsenexperten heranziehen, sondern etwas viel Wertvolleres:

Die Erkenntnisse der Finanzwissenschaft.

Ich habe in den letzten Jahren mehr als 200 wissenschaftliche Studien über das Investieren, die Aktienmärkte, Vermögensaufbau und die Psychologie gelesen um herauszufinden, was wirklich funktioniert und Sinn von Unsinn zu trennen.

Jetzt möchte ich dir einige der wichtigsten Erkenntnisse zeigen, damit du es einfacher hast.

21 Studien, mehr als 1.200.000 untersuchte Anleger, der Gehirnschmalz von mehr als 50 Wissenschaftlern.

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Was sagt also die Finanzwissenschaft?

Tipp: Wenn du mehr über wissenschaftlich fundierte Wege erfahren möchtest, mit denen du erfolgreich anlegen kannst, schaue in meinem E-Mail Kurs vorbei.

Erkenntnis #1: Anleger erreichen dürftige Ergebnisse

Die Aktienmärkte liefern ein hervorragendes Umfeld für Anleger. Das zeigen alle Datenerhebungen der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte eindeutig über verschiedenste Regionen.

Die Aktienmärkte steigen langfristig im Wert. Aktien sind die einzige Anlageklasse, die nach Abzug der Inflation reale Zugewinne realisierte.

Schaffen Anleger es, dieses Umfeld für sich zu nutzen?

Leider machen sie oft die Fehler, die die anderen Studien zeigen, die zu deutlich schlechteren Ergebnissen führen, als es mit simplen Methoden möglich wäre.

Sie erreichen unterdurchschnittliche Renditen, die je nach Vergleichsmaßstab, Region und Zeitraum 1,1% bis 8,5% pro Jahr hinter dem Durchschnitt zurückliegen.

Die monatliche Rendite schwedischer Anleger (Quelle: All Guts, No Glory: Trading and Diversification among Online Investors (Anderson, 2003))

Konkrete Ergebnisse der Studien

Anderson (2003) analysierte 324.736 Transaktionen von 16.831 schwedischen Anlegern von Mai 1999 bis März 2002. Er kommt zum Ergebnis: Im Durchschnitt liegen Privatanleger 8,5% p.a. hinter dem Markt zurück, wovon etwa die Hälfte auf die hohen Transaktionskosten zurückgeht.

Weber und Glaser (2003) untersuchten etwa 3.000 deutsche Anleger, welche im Schnitt um 1,4% p.a. hinter dem Marktdurchschnitt zurücklagen.

Barber und Odean (2000) haben 66.465 US-amerikanische Privatanleger von 1991 bis 1997 untersucht. Darin erzielten die Privatanleger im Durchschnitt eine Underperformance von 1,1% p.a. gegenüber dem Markt. Wenn ein anderer Vergleichsindex gewählt, der das eingegangene Risiko besser reflektiert, beträgt die Renditedifferenz sogar 3,7% pro Jahr. Diese steigt im Durchschnitt umso mehr, je mehr ein Anleger handelt.

Erkenntnis #2: Anleger handeln zu viel

Die meisten Privatanleger erreichen nur dürftige Renditen. Ein Hauptgrund: Ihre Handelsaktivität.

Jedes Mal kaufen oder verkaufen kostet Geld: Gebühren, sogenannte Transaktionskosten, die an den Online-Broker fließen.

Banken, Medien und Crash-Propheten sind bemüht, die Anleger ständig zum Handeln zu bewegen - mit Erfolg:

Viele Studien kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Anleger zu viel handeln und diese hohe Handelsaktivität eine der Hauptursachen für die unterdurchschnittlichen Renditen der Privatanleger ist.

Screenshot Trading is hazardous to your wealth

Mit steigender Handelsaktivität sinkt die Nettorendite (Quelle: "Trading is hazardous to your wealth" von Barber und Odean (2000))

Zum einen begehen die Privatanleger oft Fehlentscheidungen (siehe dazu die folgenden Erkenntnisse), zum anderen verursacht Handeln immer Kosten, welche die Rendite senken.

Gerade die Day-Trader, also Anleger, die Aktien kaufen und am gleichen Tag wieder verkaufen, schneiden besonders schlecht ab.

Konkrete Ergebnisse der Studien

In Taiwan verlieren mehr als 8 von 10 Day-Tradern, die eine Aktie kaufen und diese an demselben Tag wieder verkaufen, im typischen 6-Monats-Zeitraum Geld (Barber et al., 2004). Dabei wurden Handelsdaten von 925.841 Tradern ausgewertet.

Barber und Odean (2000, siehe oben) haben herausgefunden, dass die unterdurchschnittliche Rendite von Privatanlegern umso stärker wird, je mehr sie handeln. Bei den am meisten handelnden Anleger beträgt diese bis zu -7% pro Jahr gegenüber dem Vergleichsindex.

Anleger in Schweden haben um 8,5% p.a. schlechter abgeschnitten als der Marktdurchschnitt, wovon die Hälfte in den Transaktionskosten begründet liegt (Anderson, 2003, siehe oben).

Erkenntnis #3: Anleger gehen zu viel Risiko ein

Ein zentrales Konzept um unnötige Risiken zu vermeiden ist die Diversifikation: Nicht in nur eine Aktie, sondern in mehrere Aktien zu investieren.

Diese Streuung geht allerdings auch über regionale und branchenabhängige Grenzen hinaus, um nicht von der Entwicklung eines einzelnen Landes, Währungsraums oder Branche abhängig zu sein.

Dieses Konzept ist eines der ältesten und wichtigsten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Harry Markovitz hat es zentral mit seinen Kollegen Sharpe und Miller geprägt.

Dabei kommen unterschiedliche Studien zu unterschiedlichen Ergebnisse, wie viele unterschiedliche Aktien ein Depot beinhalten sollte. Einig sind sich aber alle: Eine grundlegende Diversifikation sollte jedes Depot aufweisen.

Was zeigt die Praxis?

Die meisten Privatanleger sind systematisch unterdiversifiziert. Sie investieren in zu wenige Aktien, oftmals in weniger als 10.

Gleichzeitig investieren sie den Großteil ihres Geldes in Aktien, die aus ihrem Heimatland kommen, in welchem sie zufällig geboren wurden. Jeder ist der Meinung, dass die Renditen des eigenen Heimatlandes höher sein werden als die des Rests der Welt - diese Logik kann logischerweise nicht in jedem Land funktionieren.

Dieses weit verbreitete Phänomen, das ich auch immer wieder bei meinen Kursteilnehmern sehe, nennen wir "Home Bias".

So sieht ein voll durchschlagender Home Bias aus:

Quelle: Genial einfach investieren (Weber, 2015)

Dieser Home Bias führt zu erhöhten Risiken, die sich durch eine gute Diversifikation leicht vermeiden lassen.

Aber nicht nur bei der Anzahl der Aktien oder bei den investierten Regionen gehen Anleger zu viel Risiko ein:

Gerade in untersuchten Phasen wie der Jahrtausendwende, also den Jahren, die der Dotcom-Blase vorausgingen, zeigten viele Anleger eine starke Tendenz zu Software- und Internetunternehmen, die im folgenden Crash bekanntlich massiv an Wert verloren, davor aufgrund der rasanten Kursentwicklungen aber von Anlegern geliebt wurden.

Konkrete Ergebnisse der Studien

French und Poterba konnten 1991 zeigen, dass Anleger nahezu ausschließlich in ihrem Heimatmarkt investieren und in diesem eine deutlich höhere Rendite als im Rest der Welt erwarten. So haben 98% der Japaner in japanische Aktien investiert, 94% der Amerikaner in US-amerikanische Aktien und 82% der Briten in Aktien aus Großbritannien.

Glaser (2003) hat 3079 deutsche Anleger analysiert. Der typische deutsche Investor hielt 1997 nur 5 verschiedene Aktientitel, Mitte 2001 waren es 8 (der Großteil davon Software- und Internet-Aktien). Dabei investieren Deutsche ca. 90% des Geldes in deutsche Aktien, obwohl diese nur 4% der Marktkapitalisierung ausmachen.

Der typische US-Investor hält nur 4 verschiedene Aktienpositionen (Barber und Odean, 2000).

Auch Anderson (2003, siehe oben) kommt zum Ergebnis, dass 16.831 schwedische Anleger insgesamt zu wenig gestreute Portfolios halten und eine Tendenz für hohes Risiko haben.

Anleger sind nicht nur unterdiversifiziert, sie tendieren dazu hochvolatile Portfolios zu halten und wählen Aktien aus, die stärker miteinander korrelliert sind als bei einer rein zufälligen Auswahl (Götzmann und Umar, 2008). Eine höhere Korrelation bedeutet dabei ein höheres Risiko.

Erkenntnis #4: Anleger können nicht mit Verlusten umgehen

Verluste gehören zur Börse wie der Kater zum Alkoholrausch.

Jeder, der auf der Suche nach Gewinnen ist, wird früher, später, vorübergehend oder endgültig auch mit Verlusten umgehen müssen.

Wie schlagen wir uns im Umgang mit Verlusten?

Nicht so gut.

Wir empfinden Verluste deutlich stärker als Gewinne. Schätzungsweise muss ein Gewinn 2,5x höher sein als ein Verlust, um ihn emotional auszugleichen.

In der Wissenschaft wird das als Verlustaversion bezeichnet.

Prospect theory Value Function - Verlustaversion

Die berühmte Prospect Theory (Quelle: Odean, 1998)

Diese führt dazu, dass Anleger dazu neigen, hartnäckig an ihren Fehlinvestitionen festzuhalten, während sie im Gewinn liegende Aktien deutlich schneller und öfter verkaufen.

Dieses Verhalten kann zum Teil vernünftig sein, beispielsweise aus Gründen des Rebalancings oder eines antizyklischen Investmentansatzes basierend auf der Regression zur Mitte, bei der verstärkt auf Verlierer gesetzt werden, geht aber laut Studienlage deutlich darüber hinaus.

Außerdem konnte gezeigt werden, dass viele Anleger sich vor allem für Aktien interessieren, wenn diese im Preis gestiegen sind und deutlich weniger Interesse an Aktien haben, die im Preis gefallen sind - unabhängig davon, ob diese attraktiver bewertet sind oder nicht.

Konkrete Ergebnisse der Studien

Ein Experiment wurde so aufgesetzt, dass einige Aktien durchweg besser abschneiden als andere, es somit für rationale Anleger sinnvoll ist, die Gewinner-Aktien zu halten. Trotzdem haben die Teilnehmer zu 60% ihre Gewinner-Aktien verkauft, zu 40% ihre Verlierer-Aktien (Weber und Camerer, 1998).

Anleger verkaufen ihre Gewinner-Aktien zu 50% eher als ihre Verluste zu realisieren, ohne dass diese Differenz durch entsprechende Informationen, rationale Überzeugungen, Transaktionskosten oder Rebalancing erklärt werden kann (Odean, 1998).

Mitarbeiter eines Aktienunternehmens üben ihre Aktienoptionen eher dann aus, wenn die Aktie über dem Vorjahreshoch notiert (Heath, Huddart und Lang, 1999).

Je stärker eine Aktie gefallen ist, desto stärker ist die Tendenz, dass diese gehalten wird. Aktien, die stark gestiegen sind oder nahe ihrem Monatshoch sind, werden eher verkauft (Grinblatt und Keloharju, 2001).

Die Haltedauer von Gewinner-Aktien entspricht in etwa nur der Hälfte der Haltedauer von Verlierer-Aktien, sie werden also deutlich schneller wieder verkauft (Shapira und Venezia, 2001). Dabei wurden sowohl Privatanleger als auch professionelle Anleger untersucht.

Erkenntnis #5: Anleger überschätzen sich selbst

Jeder, der sich aktiv an die Bewertung von Aktien und auf die Suche nach den besten Aktien macht, braucht eine Überzeugung:

"Ich habe eine überdurchschnittlich gute Fähigkeit nach Abzug der Kosten bessere Aktien als der Markt auszuwählen."

Ich erinnere mich noch gut an eine Umfrage auf einem Finanzseminar, auf dem die Frage gestellt wurde:

„Wer von Ihnen hält sich für einen überdurchschnittlich guten Autofahrer?“

Geschätzt 80% aller Hände gingen hoch - ja, ich geb’s zu, meine auch.

Wir haben uns systematisch überschätzt. Diese Tendenz zur Selbstüberschätzung von Menschen ist gut in der Wissenschaft dokumentiert (siehe bspw. Moore und Healy, 2008).

Wie sieht das an der Börse aus?

Das gleiche Phänomen:

Anleger schätzen ihre Fähigkeiten systematisch als zu gut ein und wählen darauf nachteilige Anlageansätze, wie eine zu geringe Streuung und zu häufiges Handeln, in dem Glauben, klüger als der Markt zu sein.

Das ist auch der Hauptgrund, warum Frauen bessere Anleger als Männer sind.

Konkrete Ergebnisse der Studien

Deutsche Anleger, die denken, sie hätten ein überdurchschnittliches Wissen, diversifizieren zwar besser, handeln aber überdurchschnittlich viel (Dorn und Hubermann, 2005).

Männer neigen dazu sich eher selbst zu überschätzen als Frauen, weshalb sie mehr handeln und schlechter abschneiden (Barber und Odean, 2001).

Experten, die Marktprognosen treffen, zeigen eine Selbstüberschätzung. Diese wird mit steigender Erfahrung am Markt schlimmer, da der wahre Wissensstand laut Studie abnimmt (Deaves, Lüders und Schröder, 2010).

Erkenntnis #6: Investieren ist wie Kokain ziehen

Eine spannende Erkenntnis habe ich nicht aus einer Studie über das Anlegerverhalten gefunden, sondern in der Biologie bzw. Chemie.

Genauer: Was passiert im Gehirn beim Investieren?

Wissenschaftler (Breiter et al., 2001) konnten dort eine ähnliche Aktivität beobachten wie die, die beim Konsumieren von Kokain entsteht.

Ist Investieren ein einziger Rausch?

Für viele Anleger leider schon. Sie sehen die Börse als Kasino, nicht als Ort, an dem sie die optimalen Mittel für einen langfristigen und nachhaltigen Vermögensaufbau finden.

Es konnte sogar beobachtet werden, dass die Handelsaktivität zurückgeht, wenn der Lotto-Jackpot wächst, da sie beides offensichtlich als reines Glücksspiel sehen.

Konkrete Ergebnisse der Studien

Dorn und Sengmüller (2009) haben 1.000 deutsche Anleger befragt und untersucht. Diejenigen, die angegeben haben, das Investieren zu genießen oder einen Reiz durch Glücksspiele verspüren, handeln etwa doppelt so viel wie andere Anleger.

Das Trading-Volumen in Taiwan ist um 25% gesunken als eine legale Lotterie im April 2002 eingeführt wurde (Barber, Lee, Liu und Odean, 2009).

Eine Erhöhung des Lotto-Jackpots in den USA um eine Standardabweichung geht c.p. mit einer Reduktion des Anteils von kleinen Tradern um ca. 1% einher (Dorn, Dorn und Sengmüller, 2007). Das bedeutet: Je höher der Lotto-Jackpot, desto weniger interessieren sich Kleinanleger für die Börse.

Erkenntnis #7: Prognosen sind nichts wert

Wenn Menschen eins lieben, dann sind es Prognosen.

Wie viele Menschen sind wir in 50 Jahren? Welche Jobs gibt es dann noch? Und wo stehen die Aktienkurse? Und wann crasht es eigentlich mal wieder?

Dabei hat sich eins immer wieder gezeigt: Diese Prognosen liegen reihenweise daneben.

Gerade am Aktienmarkt verdienen viele Menschen ihren Lebensunterhalt damit, dass sie anderen erklären, wo die Kurse in 6 Monaten, in 2 Jahren und in 10 Jahren stehen.

Auch Experten, Fondsmanager, Manager und Ökonomen fragt man diesbezüglich gern nach ihrer Einschätzung.

Es konnte gezeigt werden, dass sie sich in ihren Prognosen durchgehend überschätzen und die Prognosen viel zu oft nicht zutreffen.

Darüber hinaus konnten schon simple Veränderungen bei den Fragestellungen signifikant unterschiedliche Kursprognosen hervorbringen.

Interessanterweise gibt es einige Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Experten auf ihrem Fachgebiet leicht bessere Prognosen als Nicht-Experten liefern. Die Experten mit dem größten Wissen sind aber oftmals weniger zuverlässig.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann und Philip Tetlock führen das auf die Selbstüberschätzung dieser Expertengruppe zurück, die glaubt, mit ihrem Expertenwissen die Ereignisse in einer unberechenbaren Welt vorhersagen zu können.

Konkrete Ergebnisse der Studien

Bei der Befragung von Teilnehmern am Finanzmarkt (Fondsmanager, CFOs oder Privatanleger) kam es zu signifikant unterschiedlichen Prognosen, je nachdem, ob nach der zukünftigen Renditeerwartung oder dem zukünftigen Kursniveau gefragt wurde (Glaser, Langer, Reynders und Weber, 2007).

Philip Tetlock hat über 80.000 Prognosen von Beratern für politische und ökonomische Trends zusammengetragen, bei denen die Prognosen jeweils in 3 Antworten eingeordnet werden sollten. Das Ergebnis: Die Prognosen der Experten waren schlechter, als wenn man einfach alle 3 möglichen Antworten gleich gewichtet hätte.

Finanzvorstände wurden um insgesamt 11.600 Prognosen gebeten, bei der sie die Rendite des amerikanischen Aktienmarktes (S&P 500) für das Folgejahr schätzen sollten. Das Ergebnis: Die Finanzvorstände hatten keinen blassen Schimmer (Kahnemann, 2011).

Zusätzlich sollten sie ein Intervall angeben, in welchem die Rendite mit 80%-Wahrscheinlichkeit liegen würde. Tatsächlich lag die Rendite aber in 67% aller Fälle außerhalb dieses Intervalls, also über 3 mal mehr als erwartet (Kahnemann, 2011).

Erkenntnis #8: Anleger bringen sich falsche Dinge bei

Die gute Nachricht vorweg:

Ja, Anleger sind lernfähig.

Die Art und Weise, wie sie Lernen und zu Überzeugungen kommen, die ihr Handeln prägen, ist allerdings oft fragwürdig.

Eine der simpelsten Formen des Lernens im Leben, die wir alle anwenden: Wir wiederholen Dinge, die uns Freude bereiten und unterlassen Dinge, die wir mit Schmerz verbinden.

Die Herdplatte hat mir weh getan, deshalb fasse ich sie nicht mir an. Die Tafel Milka-Schokolade hat mir Freude bereitet, deshalb esse ich sie wieder (und wieder und wieder und wieder).

Dies ist das Prinzip wie die meisten Anleger lernen:

Sie nehmen ihre eigenen Erfahrungen und sind der Überzeugung, dass sich diese in der Zukunft wiederholen werden.

Genau das konnte in vielen Studien gezeigt werden. Anleger machen das, was ihnen Gewinne gebracht hat und machen weniger von dem, was ihnen Verluste gebracht hat.

Das Problem entsteht, da ihre Erfahrung oft nicht repräsentativ ist. Um ein konkretes Beispiel zu nennen:

Kaustia und Knupfer (2008) haben herausgefunden, dass Anleger eher an Börsengängen (IPOs) teilnehmen, wenn ihre eigene Erfahrung damit positiv war, sie also bei einem vorherigen Börsengang schon einen Gewinn gemacht haben.

Nun könnten aber 100 Börsengänge stattfinden, von denen bspw. nur 10 in den ersten Jahren einen Profit lieferten. Die Anleger, die zufälligerweise einen dieser 10 Börsengänge erwischt haben, werden nun die Wahrscheinlichkeit, dass Börsengänge gute Investitionen seien, deutlich überschätzen.

Um so etwas zu vermeiden müssen wir einen unbequemen Weg gehen:

Auf wissenschaftliche Studien und die Fakten schauen, statt unsere eigene Meinung und Erfahrung als repräsentativ und die einzig gültige Wahrheit zu halten.

Dabei trifft dieses Lernverhalten nicht nur auf Börsengänge zu: Anleger neigen darüber hinaus dazu, ihre Aktienquote nach der in ihrem Leben erlebten Wertsteigerung des Aktienmarktes zu wählen.

Sie kaufen eher eine Aktie, die sie schon einmal mit Gewinn verkauft haben oder eine Aktie, die aus einer Industrie kommt, in die sie vorher schon einmal mit Erfolg investiert haben.

Anleger legen ihre Aktienquote nach der erlebten Aktienrendite in ihrem Leben fest (Quelle: Malmendier und Nagel, 2011)

Konkrete Ergebnisse der Studien

Anleger nehmen eher an Börsengängen teil, wenn sie bei einem vorherigen Börsengang profitabel investiert haben (Kaustia und Knupfer, 2008).

Anleger aus solchen Altersgruppen, die in ihrem Leben hauptsächlich hohe Aktienmarktrenditen erlebt haben, sind weniger risikoadvers und eher geneigt in Aktien zu investieren (Malmendier und Nagel, 2011).

Anleger kaufen eher eine Aktie wieder, die sie zuvor mit Gewinn verkauft haben, als eine Aktie, die sie vorher mit Verlust verkauft haben (Barber und Odean, 2011).

Anleger kaufen eher eine Aktie aus einer Industrie, falls ihr vorheriges Investment in dieser Industrie eine höhere Rendite als der Markt geliefert hat (Huang, 2010).

Begehe nicht diesen einen Fehler

Vielleicht bist du nun besorgt, da du dich in einigen Punkten selbst wiedererkannt hast.

Vielleicht bist du aber auch beruhigt, da du denkst:

„Ach, diese dämlichen Anleger, zum Glück gehöre ich nicht dazu.“

Ich hoffe, dass es so ist.

Aber es gibt ein psychologische Phänomen, dass es verhindern könnte:

Wir begehen uns bekannte Fehler trotzdem, da wir immer denken, dass nur „die anderen“ diese begehen und wir immun sind.

Na, erwischt?

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Über den Autor


Hey, ich bin Jannes. Langfristig denkender Privatanleger, Investor, Ökonom sowie Gründer von Aktienrebell und StrategyInvest. Herzlich Willkommen also zu meiner Rebellion gegen fehlende Finanzbildung, schlechte Anlageentscheidungen und das Spiel der Finanzindustrie.

Jannes Lorenzen

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  • Wow. Welch tolle Arbeit du gemacht hast, all die Studien zusammenzufassen!
    Handelst du selbst rein passiv?
    An sich müsste man es aufgrund der Studienergebnisse tun.

    Allerdings glaube ich, dass wenn man eine erfolgsgeprüfte Aktienstrategie konsequent durchhält und sich nicht von seinen Emotionen beeinflussen lässt, sehr wohl den Markt schlagen kann.

    Aber dieses „der empfiehlt die Aktie und daher kaufe ich“ geht auf alle Fälle mit einer niedrigeren Rendite einher. Das kann ich aus eigener Erfahung bestätigen.

    • Hey Kilian,

      Vielen Dank!

      Ich selbst lege nicht zu 100% passiv an, aber zum größten Teil. Passiv bedeutet in meinen Augen auch nicht zwangsweise den gesamten Markt abzubilden, sondern erlaubt auch das Umsetzen bestimmter Strategien oder Faktoren durch Smart-Beta-ETFs. Trotzdem sind die Vorteile eines Buy-and-hold-Ansatzes für entspannte und langfristig handelnde Privatanleger sehr groß und in meinen Augen überwiegend.

      Ja, da gebe ich dir Recht. Studien zeigen ja auch, dass es Ansätze gab, die in der Vergangenheit funktioniert haben. Das Problem liegt eher darin, zu erkennen, ob das auch in Zukunft so sein wird und eine Strategie diszipliniert und kostengünstig umzusetzen, um auch wirklich in den Genuss der Renditevorteile zu kommen. Da scheitert dann oft der Übergang von der Theorie in die Praxis, wie denke ich auch die analysierten Studien ganz gut zeigen.

      Beste Grüße,
      Jannes

  • Überragend! Wieder einmal.
    Du machst tolle Arbeit, Jannes.
    Vielen Dank für diese Schnörkellose Zusammenfassung. Alles auf den Punkt und ohne unnötiges Geschwafel.
    Ich schätze das sehr.

    Ich würde dir gerne eine kleine Summe überweisen für diesen wunderbaren Artikel. Meld dich einfach!

    Gruß Eduard

    • Hallo Eduard,

      Vielen Dank für das Lob! Freut mich sehr, wenn meine Arbeit dir und anderen weiterhelfen kann. Vielen Dank auch für dein nettes Angebot und die Unterstützung! Die Möglichkeit dafür gäbe es über den PayPal-Link: https://www.paypal.me/aktienrebell. Das ist aber natürlich völlig freiwillig, in erster Linie sollen die Artikel kostenlose Hilfestellungen sein und bleiben. Bei zusätzlicher Unterstützung bin ich aber natürlich trotzdem sehr dankbar!

      Beste Grüße, Jannes

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