Die 7 wichtigsten Börsenindikatoren im Check: Buffett-Indikator, Zinsen & Gier

von Jannes Lorenzen
Investor, Ökonom und Gründer

21. Juni 2021

Börsenindikatoren sind die Thermometer der Börse. Sie geben die aktuelle Lage komprimiert wieder oder versprechen einen vagen Blick in die Zukunft.

Dabei ist es wichtig zu wissen, was Börsenindikatoren können und was sie explizit nicht können. Darum geht's daher in diesem Beitrag und ich stelle dir 7 Börsenindikatoren vor (und noch einige weitere am Ende), damit du diese einordnen und möglicherweise für deine Geldanlage nutzen kannst.

Es geht um den (vermeintlichen) Indikator von Investment-Legende Warren Buffett, Gier & Angst und deine nächste Taxifahrt. Meine Lieblingsindikatoren sind übrigens #4, #5 und #7. Viel Spaß!

Was Börsenindikatoren können - und was nicht

Medien und Experten bemühen immer wieder Börsenindikatoren, um ihrer jeweiligen These Ausdruck zu verleihen und diesen eine faktenorientierte Basis zu bieten.

Das Problem: Es lässt sich immer irgendein Indikator finden, der steigende, fallende oder stagnierende Kurse an den Aktienmärkten prognostiziert. Das liegt zum einen daran, dass Märkte nie zu 100% prognostiziert werden können. Zum anderen daran, dass auch andere Marktteilnehmer diese Indikatoren nutzen können, wodurch nach ihrem Bekanntwerden die Wirkung verpuffen oder abnehmen kann.

In Summe sind Börsenindikatoren daher nie eindeutig. Und es gibt immer irgendeinen Indikator, den auch Crash-Propheten für ihr Geschäftsmodell nutzen.

Was können diese Börsenindikatoren dir als langfristigem Anleger also bringen und was nicht?

Börsenindikatoren können...

  • ... dir langfristige Tendenzen aufzeigen, bspw. zur Renditeerwartung bestimmter Anlageklassen
  • ... ein Bewusstsein für Risiken schaffen
  • ... eine grobe Richtung anzeigen, die für minimale Anpassungen (bspw. um die Aktienquote bis 10% anzupassen) in der Asset Allocation genutzt werden kann - mehr dazu am Ende und in der Academy

Börsenindikatoren können nicht...

Mit diesem Wissen im Hinterkopf schauen wir uns nun die 7 Börsenindikatoren an, wie sie aufgebaut sind und was du über sie wissen solltest.

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#1 Der Buffett-Indikator

Warren Buffett gilt als erfolgreichster Investor unserer Zeit und hat einige Anlagegrundsätze geprägt. Er hat Ende der 1990er-Jahre einen Indikator bemüht, der heute als Buffett-Indikator bekannt ist.

Dabei teilt er die Summe aller Börsenwerte der Unternehmen eines Landes durch das jeweilige Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Wenn die daraus resultierende Zahl steigt, bspw. durch gestiegene Börsenbewertungen bei unverändertem BIP, lässt das auf niedrigere Renditeerwartungen für die Zukunft oder eine mögliche Spekulationsblase schließen. Auch umgekehrt lässt sich der Indikator interpretieren.

Heute steht der Indikator historisch betrachtet auf einem hohen Niveau:

Das Problem: Charlie Munger deutet an, dass Warren Buffett diesen Indikator heute selbst nicht (mehr) verwendet. 

Auch viele Zitate von Buffett zeigen, dass er nichts davon hält, Marktschwankungen vorhersehen zu wollen. Als grobe Warnung vor Spekulationsblasen hat er diese Zahl aber wohl genutzt.

"People that think they can predict the short-term movement of the stock market — or listen to other people who talk about (timing the market) — they are making a big mistake." - Warren Buffett

Prinzipiell ist die Grundidee des Indikators valide. Er hat aber auch Probleme: Das BIP ist eher eine Summe der Umsätze innerhalb eines Landes. An der Börse werden Gewinnerwartungen behandelt. Das bedeutet: Nicht Umsätze, sondern Gewinne sind entscheidend. Nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft ist entscheidend.

Der Vergleich von Börsenwert (Gewinne in der Zukunft) zu BIP (Umsätze in der Gegenwart) ist daher nicht optimal.

Dazu kommt: Dieser Indikator steigt dann, wenn Unternehmen an die Börse gehen, ohne dass sich an den Bewertungsniveaus etwas ändert. Wenn bspw. der gesamte deutsche Mittelstand an die Börse geht, steigt der Indikator, ohne dass irgendwelche Aktienkurse sich verändert hätten.

Ein weiterer Kritikpunkt: Wenn die Zinsen fallen ist es normal, dass Aktienkurse steigen, da Anleger in diese umschichten. Dadurch werden Aktien im Vergleich zu Anleihen aber nicht unattraktiver. Der Buffett-Indikator spiegelt das Zinsniveau nicht wieder.

#2 ifo Geschäftsklimaindex

Der ifo Geschäftsklimaindex ist ein Indikator für die deutsche Wirtschaft, bei dem die Meinungen direkt aus der Wirtschaft eingeholt werden. Etwa 9.000 Meinungen von Führungskräften aus deutschen Unternehmen bestimmen den ifo Geschäftsklimaindex, der monatlich vom ifo Institut herausgegeben wird.

Dieser Index ist wiederum ein Mittelwert aus zwei Fragestellungen: 1. Wie nehmen sie die aktuelle Geschäftslage wahr? 2. Wie sind ihre Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate?

Der Index lag 2015 bei 100 und ist dort indexiert. Er ist danach leicht gestiegen, in der Corona-Pandemie im März 2020 stark bis auf 75 eingebrochen und hat sich danach wieder stark erholt und liegt heute wieder etwa bei 100. Vor der Coronapandemie waren die Erwartungen über der aktuellen Schätzung, danach umgekehrt.

#3 Fear & Greed Index

Psychologie ist ein großer Teil der Bewegungen, die wir an den Aktien- und Finanzmärkten sehen können. Einige Börsenexperten sagen im Sinne antizyklischen Investierens: 

"Sei ängstlich, wenn andere gierig sind und sei gierig, wenn andere ängstlich sind." - Warren Buffett
„Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.“ - Carl Meyer von Rothschild

Das möchte der "Fear & Greed" Index abbilden. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten um Angst oder auch Gier zu messen. CNN hat einen aufgesetzt mit folgenden Indikatoren:

  1. Kurstrend: Positiv (Gier) oder fallend (Angst)?
  2. Aufpreis für Schrottanleihen: Je geringer, desto gieriger der Markt.
  3. Marktvolatilität: Je höher, desto ängstlicher der Markt.
  4. Put und Call Optionen: Je mehr auf Puts (fallende Kurse) gesetzt wird, desto ängstlicher (und umgekehrt).
  5. Marktbreite: Steigt (Gier) oder fällt (Angst) das Marktvolumen?
  6. Nachfrage nach sicheren Hafen: Wenn Aktien Anleihen outperformen ist das ein Hinweis auf Gier, umgekehrt auf Angst

#4 Inverse Zinsstrukturkurve

Auch die Zinsen können etwas über die Lage an den Aktienmärkten und der Wirtschaft verraten. Vor allem ein Ereignis erregt viel Aufmerksamkeit, wenn es eintritt: Eine inverse Zinsstrukturkurve.

Normalerweise sind die jährlichen Zinsen für eine längere Anlage (bspw. 10 Jahre) höher als die für eine kürzere Anlage (bspw. 3 Monate). Je länger du anlegst, desto mehr Zinsen willst du als Entschädigung.

Diese Fristentransformation ist gleichzeitig das Geschäftsmodell: Geld kurzfristig leihen, dafür kaum Zinsen zahlen und es für mehr Zinsen langfristig weiterverleihen. Die Spanne dazwischen (die durch die Niedrigzinsphase ziemlich gesunken ist) ist der Gewinn der Bank.

Das ist die normale Zinsstruktur. Bei einer inversen Zinsstruktur ist dieses Verhältnis umgekehrt: Kurze Laufzeiten werfen mehr Zinsen ab als lange Laufzeiten.

Wie kommt das zustande?

Wenn der Markt fallende Zinsen erwartet. Anleger sichern sich dann möglichst lange Laufzeiten mit den aktuellen Zinsen, wodurch diese Nachfrage die Zinsen am langen Ende drückt. Die inverse Zinsstrukturkurve entsteht also.

Fallende Zinsen wiederum werden vor allem dann erwartet, wenn eine schrumpfende Wirtschaft erwartet wird, da das Senken der Zinsen historisch zum Ankurbeln der Wirtschaft genutzt werden.

Also, vereinfacht gesagt:

  1. Der Markt erwartet schlechtere wirtschaftliche Entwicklung
  2. Damit einher geht die Erwartung fallender Zinsen
  3. Marktteilnehmer sichern sich möglichst lang das aktuelle Zinsniveau
  4. Diese Nachfrage senkt die langfristigen Zinsen
  5. Die inverse Zinsstrukturkurve entsteht

Damit wird auch klar, warum die inverse Zinsstruktur eine Warnung ist: Sie zeigt die Erwartung einer schlechteren Wirtschaft.

Die Differenz zwischen kurz- und langlaufenden Anleihen gibt's bspw. hier zu finden. Wann war diese negativ?

  • März 1989: Etwa ein Jahr danach gab es keinen großen Crash, aber immerhin eine Korrektur von 20 bis 30 Prozent.
  • Mitte 2000: Kurz danach kam es zum bereits erwähnten Crash der Dotcom-Blase
  • Februar 2006: Ab 2007 und 2008 kam es zur Finanzmarktkrise.
  • August 2019: Hier war die Differenz nur ganz kurz und minimal negativ. Danach gab es den Corona-Crash, der damit aber sicherlich wenig bis gar nichts zu tun hatte.

Die Historie ist hier also recht eindrucksvoll. Oft gab es tatsächlich nach solchen Ereignissen, wenn auch ein bis zwei Jahre versetzt, Rückschläge an den Aktienmärkten.

#5 Anzahl an IPOs

Je höher (und großzügiger) die Bewertungsniveaus an der Börse sind, desto eher neigen Unternehmen dazu, an die Börse zu gehen. Die bisherigen Eigentümer können in solchen Phasen mehr Geld für ihre Anteile bekommen als dann, wenn die Bewertungsniveaus im Keller sind.

Das zeigen auch die Zahlen: Gerade zur Dotcom-Blase um das Jahr 2000, als Internet-Unternehmen enorm hoch bewertet wurden, sind gerade aus dieser Branche viele Unternehmen schnell an die Börse gebracht worden. Kurz danach crashten gerade diese Aktien, da viele sich als Luftschlösser entpuppten.

Für Aktionäre - speziell beim Investieren in neue Aktien - ist es ein Risiko, wenn die Zahlen steigen: Es zeigt, dass die bisherigen Gründer und Eigentümer von Unternehmen denken, dass die Börse aktuell großzügige Preise zahlt. Anders gesagt: Teurer bewertet ist.

#6 Value-at-Risk

Der Value-at-Risk (VaR) ist in erster Linie ein Maß für das erwartete Risiko am Aktienmarkt. Was sagt der VaR konkret aus?

Ein VaR von 95% kann aussagen: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent fällt die Aktie in den nächsten fünf Handels­tagen nicht stärker als 4,5 Prozent. Der VaR ist also eine Kennziffer für das Risiko.

Oder, auf Portfolioebene: Ein angegebener VaR von 12% kann beispielsweise bedeuten, dass das Portfolio in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% nicht mehr als 12% an Wert verlieren sollte.

Was kann das für ein Depot bedeuten? Wenn das Risiko minimiert werden soll, können gezielt Phasen ausgespart bzw. in denen die Aktienquote gesenkt werden, in denen der VaR recht hoch ist. U.a. nutzt Scalable Capital im Robo Advisor (hier erklärt) den VaR für die Risikosteuerung der Kunden.

#7 BILD-Headlines, Taxifahrer & Friseure

Es gibt einen subjektiven Indikator. Dafür brauchst du deine Augen und Ohren.

Hörst du am Nebentisch im Restaurant, wie die heißesten Anlagetipps ausgetauscht werden? Dein Friseur oder Taxifahrer erzählen dir, wie sie investieren? Die Medien sind voll mit Anlagetipps?

All das gilt als Warnsignal. Denn es zeigt, dass - natürlich vorurteilbehaftet - Menschen, die sonst wenig oder nichts mit der Geldanlage zu tun haben oder darüber wissen, sich plötzlich auf eine Anlage stürzen. Das passiert meistens dann, wenn etwas stark gestiegen ist, die Gier übernimmt und dadurch die Preise noch weiter steigen.

Dieser Indikator ist nicht oder kaum messbar. Er ist daher subjektiv.

Wahrgenommen habe ich das zuletzt Ende 2017, während der Bitcoin enorm gestiegen ist. Auf Partys reden alte Bekannte über Bitcoin, die BILD titelt "So partizipierst du an der Bitcoin-Rallye" und unseriöse Angebote (ICOs, Schneeballsysteme etc.) schießen aus dem Boden.

Fazit & drei weitere Indikatoren, die sich lohnen

Meine Lieblingsindikatoren der sieben gezeigten: #4, #5 und #7. Die inverse Zinsstrukturkurve hat eine hohe Trefferwahrscheinlichkeit und tritt nur selten auf. Die beiden anderen sind in meinen Augen gute Indikatoren (und teilweise aber nur auf einzelne Branchen oder Segmente anwendbar), ob gerade Spekulation übernimmt und man etwas vorsichtiger werden sollte.

Darüber hinaus gibt es weitere Indikatoren, die ich selbst ebenfalls betrachte und ausführlich in der Academy beleuchte (und selbst vor allem auch auf das CAPE schaue):

  • 200-Tages-Linie: Ein kurzfristiger technischer Indikator
  • Shiller-KGV (CAPE-Ratio): Ein langfristig bereinigtes Kurs-Gewinn-Verhältnis
  • Der Gebert-Indikator, der mehrere Indikatoren kombiniert

Nun hast du einen Überblick über insgesamt zehn unterschiedliche Börsenindikatoren. Vielen Dank fürs Lesen!

Über den Autor


Hey, ich bin Jannes. Langfristig denkender Privatanleger, Investor, Ökonom sowie Gründer von Aktienrebell und StrategyInvest. Herzlich Willkommen also zu meiner Rebellion gegen fehlende Finanzbildung, schlechte Anlageentscheidungen und das Spiel der Finanzindustrie.

Jannes Lorenzen

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