Der DAX nähert sich wieder der 10.000er Marke und steht fast so hoch wie noch nie.
Dabei hat Max, ein fleißiger Leser meines Blogs, sich nach langer Recherche endlich dazu entschlossen zu investieren. Und jetzt das!
Die Aktienindizes sind auf kaum erforschte Rekordstände geklettert – das Absturzpotential ist also groß. Soll Max jetzt investieren oder nicht?
Ich zeige dir, was du konkret tun solltest, wenn du die Ängste von Max teilst und wie du deine Unwissenheit zu deinem Vorteil nutzt.
Der DAX, der größte deutsche Aktienindex, hat fast die magische 10.000er Grenze durchbrochen und steht kurz vor einem neuen Rekordhoch.
Auch andere Indizes der Welt stehen so hoch wie noch nie.
Auf der ganzen Welt haben angehende Anleger also ein Problem:
Ist der Zug jetzt schon abgefahren? Ist der größte Teil der Kursanstiege vorüber?
Oder ist das erst der Beginn eines noch viel größeren Anstiegs?
Die Meinungen gehen auseinander. Weit auseinander. Jeder Experte und jede Zeitung behauptet etwas anderes.
Auch Max plagt dieses Problem. Er hat mich in einer E-Mail gefragt:
Ich möchte auch an der Börse investieren. […] Jetzt frage ich mich: Macht es überhaupt Sinn, bei so hohen Kursen einzusteigen?
Zum einen hat er Angst, dass direkt nach seinem Einstieg die Kurse einstürzen. Er könnte also abwarten und auf einen besseren Zeitpunkt zum Einstieg hoffen.
Andererseits möchte er aber auch nicht die nächsten Jahre an der Seitenlinie stehen und den Kursen tatenlos dabei zusehen, wie sie immer höher und höher steigen.
Sollte er jetzt also – trotz des Höchststandes – Aktien kaufen oder lieber erst einmal abwarten und schauen, wie der Markt sich entwickelt?
Was lernen wir aus den letzten Höchstständen?
Da wir keine Hellseher unter uns haben ist unsere einzige Referenz die Vergangenheit.
Wie hätten sich Anleger also zu vergangenen Höchstständen verhalten sollen?
Die folgende Grafik zeigt den Verlauf des DAX von 1990 bis heute. Ich habe die Punkte markiert, an denen die Kurse einen neuen Höchststand erreicht haben – und wann der Absturz folgte.
Punkt 1, 1995: Die Kurse erreichen knapp über 2.000 Punkten ein neues Hoch. Daraufhin verdreifachte sich der Kurs über die nächsten 3 ½ Jahre.
Punkt 2, 1999: Nur 1 ½ Jahre nach dem Absturz haben wir einen neuen Höchststand. Danach steigen die Kurse noch 1 Jahr lang um 2000 Punkte (+ 25%).
Punkt 3, Ende 2007: Danach folgt eine lange Zeit ohne neue Höchststände. Erst Ende 2007 haben die Kurse sich soweit erholt, dass der alte Höchststand wieder hergestellt ist. Innerhalb weniger Monate fallen die Kurse allerdings wieder.
Punkt 4, Ende 2012: 5 Jahre später sind die Kurse wieder auf altem Niveau und steigen bis heute um 20%, durchbrechen dabei die magische 10.000er Grenze.
Wir haben also völlig unterschiedliche Szenarien erlebt: In Punkt 1 konnte ein Anleger sich noch Jahre nach dem Höchststand über steigende Kurse freuen.
In Punkt 3 war der Höchststand gleichzeitig der Startschuss für einen Kursabsturz.
Festzuhalten bleibt aber eine unglaublich wichtige Erkenntnis: Es hat maximal 8 Jahre gedauert (1999 – 2007), bis ein neuer Börsenhöchststand erreicht wurde.
Kurzfristig sind die Kurse nach 1999 nicht auf das alte Niveau zurückgekehrt, langfristig aber schon. Heute haben wir das damalige Hoch von 8.000 Punkten schon um über 20% hinter uns gelassen.
Warum du deinen Blickwinkel ändern musst
Wenn wir die Grafik als Ganzes betrachten wird eines klar: Die Kurse steigen.
An jedem einzelnen dieser vier Punkte haben sich die Anleger die gleiche Frage wie Max gestellt: „Soll ich jetzt investieren oder nicht?“
Blicken wir aus heutiger Sicht zurück:
Hätte an diesen Punkten investiert oder nicht?
Natürlich!
Denn die damaligen Höchststände sind längst Geschichte. Das, was damals Höchststände waren, würde heute für uns einen sehr guten Einstiegszeitpunkt darstellen.
Max muss also seinen Blickwinkel ändern:
Es ist nicht wichtig, was ein, zwei oder fünf Jahre nach dem Rekordhoch passiert. Wichtig ist, was langfristig passiert.
Und was ist in der Vergangenheit passiert? Die Kurse sind langfristig gestiegen und die Investition in Aktien hätte sich zu jedem der aufgeführten Zeitpunkte bezahlt gemacht.
2007 haben die Anleger sich genau die gleiche Frage gestellt, als der DAX erstmals seit 2000 die 7.000er Marke durchbrochen hat. Robert von Heusinger hat damals folgendes dazu geschrieben:
Den richtigen Einstiegspunkt gibt es […] nicht.
Wer Geld übrig hat, sollte es investieren, ganz gleich, wo die Kurse gerade stehen. Alles andere wäre Spekulation, die, im Durchschnitt betrachtet, Verluste bringt.
Schon damals herrschten die gleichen Zweifel wie heute. Und schon damals wurde der vorausdenkende Anleger belohnt.
Wie der Anlagehorizont den perfekten Zeitpunkt übertrumpft
Diese Erkenntnis wird durch zahlreiche Studien und zurückliegende Daten bestätigt.
Es gibt kaum einen Aktienmarkt, der langfristig keine steigende Tendenz aufweist.
Seit 1926 hat der amerikanische Index S&P 500 jedem Anleger, der mindestens 20 Jahre investiert hat, einen Gewinn beschert. Ganz egal wann er gekauft hat – die Dauer des Investments waren entscheidend.
Auch das DAX-Renditedreieck verdeutlicht dieses Ergebnis:
Wer zu einem beliebigen Zeitraum nach 1963 in den DAX investiert hat, hat bei einem Anlagezeitraum von mindestens 13 Jahren immer einen Gewinn erzielt.
Die Renditen bei einem Anlagezeitraum von genau 20 Jahren liegen dabei zwischen 5,0% pro Jahr (1963 – 1983) und 15,2% jährlich (1979– 1999).
All das ohne Berücksichtigen eines besonderen Zeitpunktes und ohne Beachten irgendwelcher Börsenhöchststände.
Das zeigt uns ganz deutlich: Nicht der Zeitpunkt, sondern die Anlagedauer ist entscheidend.
Wenn du dein Geld nur kurzfristig investieren willst, ist ein Börsenhöchststand definitiv brandgefährlich. Wenn du aber langfristig investierst kann dir der Zeitpunkt herzlich egal sein.
Vor allem für junge Anleger mit einem sehr langen Anlagehorizont bietet die Börse daher großartige Chancen.
Gegenbeispiel: Japan
Natürlich sind das „nur“ Vergangenheitswerte. Sie sind keine Garantie für den Verlauf der Zukunft lassen uns aber zumindest optimistisch denken.
Es gibt allerdings auch ein Gegenbeispiel, das meines Wissens einzigartig ist und ich dir nicht vorenthalten möchte:
Der japanische Aktienindex NIKKEI 225.
Dieser Index stellt die Anleger sehr stark auf die Probe.
Den höchsten Stand erreichte der Index am 29. Dezember 1989. Bis heute wurde dieser Kurs nicht wieder erreicht.
Die Anleger, die 1989 in den NIKKEI 225 investiert haben, warten also seit mittlerweile 25 Jahren auf einen neuen Börsenrekord.
Die japanischen Aktien waren damals dramatisch überbewertet und in der Folge hat Japan immer wieder mit Deflationsproblemen und einem schleichenden Wirtschaftswachstum zu kämpfen.
Natürlich gibt es große Unterschiede zu Deutschland. Nichtsdestotrotz zeigt das Japan-Beispiel, dass wir nicht alle Entwicklungen der Zukunft vorhersehen können.
Auch die deutsche Wirtschaft könnte in den nächsten Jahrzehnten schwächeln, auch wenn wir das an den Börsen über längere Zeiträume bisher (glücklicherweise) nicht erleben mussten und es der deutschen Wirtschaft momentan sehr gut geht.
Dieses Risiko ist aber nur eins, wenn einer der folgenden Fälle eintritt:
1. Die deutsche Wirtschaft entwickelt sich so wie die japanische
2. Die Notenbanken und Wirtschaftschefs lernen nicht aus den Fehlern von vor über 20 Jahren
3. Du investierst nur in eine bestimmte Region
Kurse fallen, Gewinne bleiben: Die rettende Dividende
Ein positiver Faktor, der meist außer Acht gelassen wird, ist die Dividende: Die Beteiligung an den Gewinnen eines Unternehmens.
Ein Einsturz der Börsenkurse geht meistens Hand in Hand mit schweren Zeiten für die Wirtschaft. Trotzdem verdienen die Unternehmen noch immer Geld.
Und trotzdem machen Unternehmen immer noch Gewinne. Und an diesen Unternehmen wird Max immer noch beteiligt – selbst wenn die Kurse einstürzen sollten.
In manchen Indizes (z.B. dem DAX) ist die Dividende bereits im Kursverlauf enthalten (= Performanceindex). Andere Indizes (z.B. S&P 500) bilden nur Kursänderungen, aber nicht die Dividende ab (=Kursindex).
Max hat also Angst vor dem Einstürzen der Kurse. Die Beteiligungen an den Unternehmensgewinnen bleiben aber.
Natürlich sinken die Gewinne in der Regel. Außerdem werden Unternehmen vorsichtiger und behalten von diesen Gewinnen sicherheitshalber mehr ein.
Aber die Gewinne sind noch immer da. Und die Dividendenzahlungen auch.
Das Paradies für Medien & Experten
Experten geben nur zu gern ihre Meinung zum aktuellen Börsengeschehen ab. Ob gefragt oder ungefragt.
Von diesen Experten gibt es viele. Bei Börsenhöchstständen und starken Kurseinbrüchen stehen ihre Meinungen bei den Medien besonders „hoch im Kurs“ (was für ein Wortspiel 😉 ).
Das einzige, was dabei eindeutig und glasklar zu erkennen ist, ist:
Dass jeder etwas anderes behauptet.
Kurioserweise wird dabei oft mit den gleichen Argumenten in zwei völlig unterschiedliche Richtungen argumentiert.
Experte A sagt: „Die Kurse sind sehr stark gestiegen, die Anleger optimistisch und deshalb werden die Kurse auch weiter steigen!“
Experte B behauptet: „Die Kurse sind sehr stark gestiegen, die Anleger mittlerweile vorsichtig und deshalb ist es Zeit für eine Korrektur und fallende Kurse!“
An der Börse werden Beobachtung und Vorhersage scheinbar beliebig kombiniert. So sieht jedenfalls das Meinungsbild aus, das die Medien an uns herantragen.
Ich sag’s dir ganz offen: Ich habe keine Ahnung, welchem dieser Experten ich vertrauen soll.
Vor allem will ich aber auch keinem Experten vertrauen, da er selber gar nicht weiß, was die Zukunft bringen wird.
Wir bezeichnen die Menschen als Experten, die jedes Jahr ihre Einschätzung abgeben, die im nächsten Jahr revidiert werden muss.
Für mich ist aber viel mehr derjenige ein Experte, der erkennt, dass er die Börse schlichtweg nicht zuverlässig voraussagen kann.
Deshalb bin ich „Experte“ genug, um zu erkennen, dass nicht ich – und kein anderer Mensch auf der Welt – zuverlässig voraussagen kann, wo die Börsenkurse in den nächsten Jahren stehen werden.
Die USA haben 60.000 ausgebildete Ökonomen. Viele von ihnen sind angestellt, um Wirtschaftskrisen und Zinsen vorherzusagen. Wenn ihre Prognosen nur zweimal hintereinander eintreffen würden, wären sie Millionäre. Soweit ich weiß, sind die meisten noch immer brave Angestellte. – Peter Lynch
Viele Anleger lassen sich von diesen Prognosen blenden oder suchen sich gezielt die Meinung heraus, die ihre eigene Meinung bestätigt. Andere Meinungen werden als unsinnig abgetan.
Dann übernehmen die Emotionen das Handeln. Der Wunsch nach der Bestätigung der eigenen Meinung – nicht der Wunsch nach einer rationalen, erfolgreichen Geldanlage.
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt
Im Nachhinein gibt es natürlich perfekte Zeitpunkte und alles sieht so einfach aus. Aber du wirst sie nicht voraussehen können – auch wenn viele Experten so tun, als könnten sie es.
Viele Menschen glauben deshalb daran, dass sie auf den richtigen Zeitpunkt warten müssten.
Gibt es den richtigen Zeitpunkt um Kinder zu bekommen?
Irgendetwas kommt doch immer dazwischen
Noch ist das Geld zu knapp. Die Karriere hat noch Vorrang. Ist die Partnerin/der Partner wirklich die Frau/der Mann fürs Leben? Will ich nicht erst noch mehr von der Welt sehen?
Irgendwas ist immer. Irgendein Grund lässt sich immer finden, der den „perfekten Zeitpunkt“ verhindert.
Die Wahrheit ist: Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt.
Auch an der Börse kommt immer etwas dazwischen:
Entweder sind die Kurse schon zu lange gestiegen. Oder die Kurse sind erst kurz gestiegen. Oder die Kurse sind schon länger gefallen. Oder die Kurse sind erst kurz gefallen.
Jeder dieser Beobachtungen ist gefundenes Fressen für jeden Menschen, der einen Grund braucht, sein Geld nicht an der Börse anzulegen – obwohl diese Beobachtungen keinerlei Indiz für den weiteren Kursverlauf sind.
Auch politische und wirtschaftliche Krisen sind immer wieder Anlass dafür, dass Menschen nicht investieren.
„Erstmal abwarten was passiert“ – bis der perfekte Zeitpunkt gekommen ist. Aber es wird immer Unruhen auf der Welt geben. Und deshalb wird ewig gewartet… und gewartet… und gewartet.
Was soll Max jetzt also machen?
Er soll investieren.
Den perfekten Zeitpunkt wird es nicht geben.
Viel wichtiger für ihn ist die Anlagedauer: Ein langer Anlagezeitraum egalisiert den Zeitpunkt des Investierens enorm. Selbst wenn direkt nach dem Einstieg die Kurse einbrechen.
Wie Peter Lynch sagt: Zigtausende ausgebildete Ökonomen versuchen sich Jahr für Jahr an den neuesten Prognosen, nur um im Jahr darauf zu erklären, warum es doch anders gekommen ist.
Wenn du dir die gleichen Fragen wie Max gestellt hast:
Vergiss es, den perfekten Zeitpunkt abschätzen zu wollen. Du wirst immer etwas finden, dass den Zeitpunkt nicht perfekt macht.
Ein aus heutiger Sicht hoher Kurs ist nur eine von vielen Ausreden, die dich davon abhalten, die langfristig positive Entwicklung der Börsenkurse zu genießen.
Hallo Jannes,
eine Ergänzung: es gibt bessere und es gibt schlechtere Zeitpunkte. Meine Erfahrung aus 10 Jahren ist sehr trivial: Wenn Panik in Anlageklassen ist und die Panik länger anhält, dann bist du wahnsinnig im Vorteil, wenn du Cash hast und bereit bist langfristig zu investieren. Meine „Lesson Learned“ ist, dass ich immer einen gewissen Teil in Cash halte, um dann bei einem Crash weiter aufzustocken. Diese Vorgehensweise setzt allerdings Risikofreude und langfristigen Investitionswillen voraus,
viele Grüße
Stefan
Hi Stefan,
Das stimmt! Einige Anleger investieren kontinuerlich, unabhängig von Börsenentwicklungen. Ich bin aber deiner Meinung: Gerade Börsencrashs laden dazu ein, die Bargeldhaltung weiter zu reduzieren bzw. dafür einen gewissen Restbestand an Geld zu halten.
In diesem Artikel wollte ich in erster Linie das Thema behandeln, wenn Leute nur wegen eines hohen Börsenstandes gar nicht investieren – was dann manchmal Jahre dauern kann. Das Thema der Bargeldhaltung, um investitionsbereit zu sein, behandel ich in Zukunft nochmal getrennt davon, da ich das Thema sehr umfangreich und spannend finde.
Gruß
Jannes